Das Transtheoretische Modell gibt Hinweise für Ernährungsumstellungen, Sport, Rauchstopp und andere Herausforderungen
Sicher ist Ihnen auch schon einmal aufgefallen, dass auch die besten Pläne und Vorsätze (Intentionen) nicht automatisch dazu führen, dass wir unser Verhalten erfolgreich ändern – sei es in Bezug auf unsere Gesundheit, im zwischenmenschlichen Bereich oder im Beruf. Die Wissenschaft, genauer gesagt die Gesundheitspsychologie, nennt diese Erkenntnis die Intentions-Verhaltens-Lücke, also den Unterschied zwischen einem Vorhaben und der tatsächlichen Durchführung. Ziel der Gesundheitspsychologie ist es, Menschen bei der Überwindung dieser Barriere zu unterstützen. Hierzu werden verschiedene theoretische Modelle entwickelt, die sowohl von Beschäftigen im Gesundheitsbereich als auch von jedem Einzelnen praktisch angewendet werden können. Um ein solches Modell und entsprechende Tipps geht es in diesem Beitrag.
Einen großen Einfluss im Bereich persönlicher Verhaltensänderungen hat das in den 80er- und 90er-Jahren entwickelte Transtheoretische Modell (TTM). Das Modell wurde in verschiedenen Bereichen, wie zum Beispiel bei der Rauchentwöhnung, untersucht und angewendet. Da es dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen kam, besteht unter Fachleuten weiterhin Uneinigkeit über seine Gültigkeit. Dennoch enthält es eine Vielzahl hilfreicher Ansätze, die von jedem Einzelnen individuell ausprobiert und genutzt werden können. In diesem Beitrag möchten wir Ihnen daher die Grundannahmen des Modells sowie die konkret darin enthaltenen Empfehlungen vorstellen.
Die 5 Phasen des Modells
Das TTM betrachtet Verhaltensänderungen als eine Abfolge von fünf Phasen, die nacheinander durchlaufen werden. Dabei ist es zunächst unbedeutend, um welche Art der Verhaltensänderung es geht. Im Folgenden wird das Modell am Beispiel einer gesünderen Ernährung vorgestellt, da es sich hierbei um eine Maßnahme handelt, die für viele Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen wichtig ist.
Präkontemplation beschreibt eine Phase, in der eine Person noch nicht über eine Verhaltensänderung in der näheren Zukunft nachdenkt. Damit sind meistens die nächsten sechs Monate gemeint. Das kann zum Beispiel daran liegen, dass sie die Bedeutung einer vitaminreichen, kohlenhydratarmen Ernährung nicht kennt. In der Phase der Kontemplation wird über eine entsprechende Änderung nachgedacht. Dabei wird sich die Person zunehmend der Vor- aber auch der Nachteile der Veränderung bewusst. In der Phase der Vorbereitung besteht die Absicht, das Verhalten innerhalb des nächsten Monats zu ändern. Möglicherweise wurde auch bereits ein erfolgloser Versuch unternommen. Die Phase der Handlung beschreibt die Zeit, in der eine aktive Verhaltensänderung seit mindestens einem Tag stattfindet, also zum Beispiel auf bestimmte Lebensmittel verzichtet wird. Sobald die Handlung für mindestens sechs Monate erfolgreich stattfindet, befindet sich eine Person in der Phase der Aufrechterhaltung. In diesem Abschnitt geht es vor allem darum, die Veränderung zu stabilisieren und Rückfälle zu vermeiden. Eine Verhaltensänderung gilt als abgeschlossen, wenn sie für fünf Jahre aufrechterhalten wird. Selbstverständlich kann es während des gesamten Prozesses passieren, dass eine Person Rückschritte erlebt. Allerdings hat sich gezeigt, dass viele Menschen, die eine Veränderung einmal begonnen haben, nicht vollständig an den Beginn des Verlaufs zurückfallen.
Die 10 Prozesse der Verhaltensänderung
Besonders interessant wird das Modell durch die zehn sogenannten Prozesse der Verhaltensänderung. Diese basieren zum einen auf psychotherapeutischen Ansätzen. Zum anderen handelt es sich um Strategien, die von Personen eingesetzt wurden, die ihr Verhalten eigenständig geändert haben. Die Tabelle liefert eine Übersicht über die entsprechenden Prozesse und gibt Beispiele zum Thema Ernährungsumstellung.
Name | Beschreibung | Beispiel |
Kognitive (Gedankliche) Prozesse | ||
Bewusstseinserhöhung | Informationen über sich selbst und über das Verhalten aufnehmen | Im Internet über gesunde Ernährung nachlesen |
Emotionale Relevanz | Gefühle bzgl. des Verhaltens bewusst erleben und ausdrücken | Sorgen über die Folgen der eigenen ungesunden Ernährung verspüren |
Neubewertung der Umwelt | Wahrnehmen und Bewerten, in welcher Weise das Verhalten das persönliche Umfeld und andere Personen betrifft | Verstehen, dass ungünstige Essgewohnheiten auf den Partner abfärben können |
Neubewertung der eigenen Person | Überlegen, wie das Verhalten das Selbstbild betrifft | Sich vorstellen, wie es wäre, sich gesund zu ernähren |
Wahrnehmen förderlicher Umweltbedingungen | Möglichkeiten wahrnehmen, die die Verhaltensänderung erleichtern | Das Angebot fleischfreier Alternativen entdecken |
Verhaltensorientierte Prozesse | ||
Selbstverpflichtung | Sich selbst zur Veränderung des Verhaltens verpflichten | Andere über den eigenen Vorsatz informieren |
Kontrolle der Umwelt | Das eigene Umfeld so verändern, dass es die Verhaltensänderung erleichtert | Weniger Süßigkeiten zu Hause haben |
Gegenkonditionierung | Ungünstige Verhaltensweisen durch bessere ersetzen | Einen Tee trinken statt Süßigkeiten zu essen |
Nutzen hilfreicher Beziehungen | Unterstützung von Anderen zur Erleichterung der Verhaltensänderung nutzen | Andere nach ihren Rezepten fragen |
Selbstverstärkung | Belohnungsstrategien einsetzen, um Verhaltensänderung zu erleichtern und zu stabilisieren | Wenn Vorsätze eine Woche durchgehalten wurden, ins Kino gehen |
Man unterscheidet zwischen kognitiven, das heißt auf das Denken bezogenen, und verhaltensorientierten Prozessen. Dem Modell zufolge spielen kognitive Prozesse besonders in der Phase der Verhaltensintention eine Rolle (siehe Schaubild). In dieser geht es vor allem um das Sammeln und Einordnen von Informationen sowie um eine entsprechende Planung. Verhaltensorientierte Prozesse sind hauptsächlich in den nachfolgenden Abschnitten von Bedeutung. Zusätzlich zu den beschriebenen Phasen und Prozessen beschreibt die Theorie weitere relevante Einflussfaktoren. Näheres hierzu finden Sie in den Literaturvorschlägen am Ende.
Die Rolle von mediteo bei Verhaltensänderungen
Vielleicht haben Sie sich schon gefragt, welche Rolle mediteo bei einer geplanten Verhaltensänderung, wie zum Beispiel der Umstellung der eigenen Ernährung oder mehr körperlicher Aktivität, spielen kann. Wir haben die App so entwickelt, dass sie Sie von Beginn an unterstützen kann. Wenn Sie ein medizinisches Quiz spielen, erhalten Sie hierdurch wichtige Informationen zu möglichen Lebensstilveränderungen und zu negativen Einflüssen, zum Beispiel bezogen auf Bluthochdruck und Diabetes. Gleichzeitig erlaubt mediteo es Ihnen, wichtige Werte, an denen Sie den Erfolg Ihrer Verhaltensänderung erkennen können, einzutragen und langfristig zu analysieren. So können Sie im Tagebuch neben Ihrem Gewicht und Ihrer körperlichen Aktivität auch Ihre Schlafdauer, Ihre Flüssigkeitsaufnahme sowie viele weitere wichtige Messwerte vermerken. In unserem Medizinprodukt mediteo m+ können Sie sogar entsprechende Zielbereiche festlegen und so den Prozess der Selbstverpflichtung unterstützen.
Und jetzt sind Sie gefragt! Gibt es aktuell Dinge, die Sie gerne in Ihrem eigenen Verhalten ändern würden? Was halten Sie von den Anregungen aus dem Transtheoretischen Modell? Wir freuen uns über Ihre Rückmeldung.
Literatur
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